weil zusammen schöner ist als allein
Kristin: Ich hab vor ein paar Monaten in einem Podcast gehört, wie sich zwei Mädels darüber unterhielten, dass sie ihr Leben lang diesem Ideal hinterhergelaufen sind, eine Freundschaft zu haben wie in der Fernsehserie ‘Friends’. Perfekte Freunde, mit denen man alles teilt, die immer zusammenhalten. Nun hatten sie aber festgestellt und akzeptiert, dass das Quatsch ist, ein utopisches Ideal, dass es nur im Film gibt. Dem reflexartigen Kopfschütteln folgte eine Nachricht samt Podcast Link an Val: “Das ist doch Quatsch, oder?”. Val und ich haben nämlich genau so eine Freundschaft. In den letzten 10 Jahren haben wir wirklich so wie bei ‘Friends’ gelebt: zusammen wohnen wie eine Familie, nach Hause kommen und sich alles erzählen, was einem am Tag so passiert ist, zusammen im Pyjama frühstücken, für die Party kurz ein Kleid vom anderen leihen. Wir sind irgendwas zwischen beste Freundinnen und Schwestern geworden. Und manche in unserem Umfeld haben uns fast wie ein Pärchen behandelt, ich hab Val als +1 auf eine Hochzeit begleitet, sie ist mit mir zum Familiendinner gekommen, zwischen meinen Geschwistern mit ihren Partnern.
Val: Als sich für mich verdeutlichte, dass ich mein Fernweh nicht mehr nur im Urlaub stillen wollte, sondern dauerhaft nach Kalifornien ziehen möchte, war uns klar, dass sich für uns und unsere Freundschaft einiges ändern würde. Nachdem wir 10 Jahre zusammen gewohnt hatten, würden wir bald auf verschiedenen Kontinenten leben. Das ließ uns bewusster über unsere Freundschaft nachdenken, darüber was Freundschaft für uns bedeutet und warum die Freundschaft zwischen uns anders ist als alle Freundschaften die wir vorher hatten.
Kristin: Wir mögen es beide in der Welt unterwegs zu sein, das hat irgendwie auch die letzten 10 Jahre gekennzeichnet. Work and Travel in Australien, Auslandssemester, mit dem Bus durch Neuseeland oder kreuz und quer durch Zentralamerika. Da fühlt es sich passend an zum Abschluss unserer gemeinsamen Zeit in Hamburg eine große Reise zusammen zu machen. Etwas, das für uns beide neu ist. Und auch ein bisschen eine Herausforderung. Wir entscheiden uns für eine lange Wanderung im Himalaya.
Val: Mich hat der Himalaya schon immer fasziniert, die gewaltige Landschaft, die harsche Natur und die andere Lebensweise der Menschen. Und die Schwierigkeiten, die
allein die Höhe mit sich bringt. Ich habe schon einige mehrtägige Rucksacktouren hinter mir und habe Erfahrung darin solche Trips zu planen. Aber in Nepal funktioniert einiges anders. Ich versuche so gut wie möglich zu recherchieren, wo es unterwegs Lebensmittel und Trinkwasser gibt, ob man zelten darf oder wie viele Schichten Kleidung wir wegen der schwankenden Frühlingstemperaturen einpacken sollten.
Val: Wir planen einen 28-tägigen Trek, der uns vom Fuße des Himalayas bis tief ins Herz des Sagarmatha Nationalparks bringt – der Heimat des Mount Everest. Wir wollen 3 Pässe überqueren, die jeweils höher als 5000 m sind, 3 Gipfel von rund 5500 m besteigen und das Everest Basecamp besuchen. Inspiriert von Reise Blogs und Vlogs beschließen wir eine Kamera mitzunehmen, um unsere Reise und unsere Gedanken zum Thema Freundschaft festzuhalten. Wir haben Lust uns mehr mit dem Thema zu beschäftigen und naiv wie wir sind, setzen wir uns das waghalsige Ziel unsere Reise am Ende in einem kleinen independent Film zusammen zu fassen.
Kristin: Von Kathmandu aus geht es mit dem Jeep weiter. 8 Stunden fahren wir auf abenteuerlichen Straßen bis wir im 250 km entfernten Örtchen Shivalaya (1770 m) ankommen. Zelten ist im Everest Nationalpark verboten, stattdessen übernachtet man in so genannten Tea Houses. Die wenigen Zimmer sind einfach aber sauber, man bringt seinen eigenen Schlafsack mit und die Toilette und den Wasserhahn teilt man mit allen anderen. Zum Frühstück und Abendessen gibt es traditionell Daal Bhat, einige Lodges haben sich aber bereits an westliche Reisende angepasst und bieten auch Omelette und Oatmeal am Morgen. Daal Bhat scheint eine recht komplexe Komposition, typischerweise bestehend aus Reis, Gemüse Curry, Linsen, eingelegtem Gemüse und irgendeiner Form von gedünstetem, grünen Blattgemüse. Da wir beide kein Fleisch essen freuen wir uns über die Vielfalt an vegetarischen und veganen Variationen. Jede Mahlzeit wird von den Gastgebern frisch zubereitet und man fühlt sich, als ob man am Abend mit der Familie im Wohnzimmer beisammen sitzt.
Kristin: Für mich ist das Reisen zu Fuß eine neu entdeckte Leidenschaft. Während meiner Trips ins Ausland habe ich mich bisher gern mit Bus oder Zug fortbewegt, um viel rumzukommen und viel Neues zu entdecken. Aber ich habe Lust auf die Entschleunigung, die das Wandern mit sich bringt. Und ich freue mich auf die Quality Time nur zu zweit.
Val: Bhandar (2190m), Sete (2500m), Junbesi (2700m). Unsere Route führt uns durch dichte beeindruckende Rhododendron Wälder und vorbei an einfachen Bauernhöfen mit kleinen Feldern. Weit weg vom nächsten Ort scheint man fast autark und jeder hält einige Hühner, Ziegen oder Kühe. Wir müssen uns körperlich sowie mental noch an die langen Wandertage gewöhnen. Nunthala (2194m), Bupsa (2360m), Phakepani (2700m). Die Rucksäcke sind schwer und der Weg eigentlich immer steil. Auf und ab und wieder auf und wieder ab. Wenn es zu anstrengend ist, ertappen wir uns dabei, wie wir patzig werden. Oder aufhören miteinander zu sprechen, um den anderen vor der eigenen Laune zu schützen. Kristins Theorie ist, dass sich unser Kopf immer dann auf etwas Negatives konzentriert, wenn der Körper an seine Grenzen kommt. Vielleicht ist es für den Kopf ‘einfacher’ sich mit irrationalem Ärger über etwas Nichtiges (“total bescheuert, dass wir heut Morgen zuerst zum Frühstück gegangen sind und dann die Rucksäcke gepackt haben, wären wir meinem Vorschlag gefolgt wären, hätten wir schon längst…”) von der Realisation der eigenen Schwäche abzulenken.
Kristin: Das Reisen mit Kamera ist eine ganz neue Herausforderung. Nicht nur Fotos machen, sondern Videos drehen, dabei gleichzeitig Erlebender und Dokumentierender sein, das ist ein ganz schöner Spagat. Manchmal verpassen wir einen wichtigen Moment zu filmen, weil wir als Subjekt eben in genau diesen Moment leben, wir können keine Distanz zu uns selbst haben. Manchmal lassen wir die Kamera auch ganz bewusst im Rucksack und entscheiden uns für die spontane Schönheit des Augenblicks und gegen die gute Aufnahme. Manchmal ist es der Respekt vor den Einheimischen, zum Beispiel wenn ein Buddhistischer Mönch für eine Zeremonie für unsere Gastgeber zur Einweihung des neuen Hauses abhält. Und manchmal sind es ganz einfache, äußere Umstände die limitieren –die Müdigkeit, mit der wir abends ins Bett fallen oder die Ungeduld, wenn der Tag lang und der Magen leer ist.
Val: Aber das Filmen macht uns Spaß und zum Glück werden wir auch besser darin. Und schneller. Wir perfektionieren unser Aus- und wieder Einpack-System und finden nun zügig die richtigen Einstellungen. Und langsam sehen wir vor der Kamera auch nicht mehr so unbeholfen aus, wir schaffen es immer besser, die auf uns gerichtete Linse zu vergessen wenn wir uns selber filmen. Abends,
wenn wir die Aufnahmen vom Tag von den SD Karten auf die Festplatte spielen, schauen wir immer kurz durch die Fotos und Videos. Sind die Aufnahmen etwas geworden? Wie ist die Belichtung? Was macht der ND Filter? Sehen wir schon wieder aus wie zwei Kaninchen vor der Schlange?
Kristin: Bei der Vorbereitung der Reise mussten wir feststellen, dass Akkulauf- und Ladezeit ein Problem sein würden. Die meisten der abgelegenen Teahouses hier verfügen über gar keinen Strom, einige wenige haben Solarzellen auf dem Dach, von denen aus der Strom in Autobatterien gespeichert wird. Mit der Aussicht, nur jeden vierten oder fünften Tag zuverlässigen Strom zu haben, mussten wir einiges an Akkus und Equipment mitbringen, womit sich unser Plan vom leichten und unabhängigen Reisen erledigt hatte. Bei dem großen Ansturm auf große, aufwändige Expeditionen in den Himalaya, verdienen sich viele Nepali als Träger oder Guides etwas dazu. Ein Berufszweig, der in diesen abgelegenen Regionen viel Ansehen genießt. Auch wenn uns der Gedanke zunächst sehr befremdlich ist, entscheiden wir uns, Hilfe für das Tragen des Filmequipments anzunehmen und engagieren einen Träger und einen Guide.
Val: Zum Glück verstehen wir uns auf Anhieb gut mit Tek und Novin. Teks Englisch ist ausgesprochen gut und wir lernen von ihm viel über das Land und seine Traditionen. Die beiden sind bald gelangweilt von unseren vielen Stopps, dem ständigen Auf- und Abbauen der Kamera und unserem langsamen Lauftempo beim Filmen mit dem Gimbel. Besser an die Höhe gewohnt, gehen sie oft schnellen Schrittes weiter bis in den nächsten Ort oder zur nächsten Abzweigung. Sie geben uns Raum das Konzept unseres Films und der Reise umzusetzen. Zwei Freundinnen auf Wanderung. Und die beiden scheinen dagegen auch recht wenig einzuwenden zu haben, nach etlichen Foto- und Film-Stopps treffen wir sie dann im Laufe des Tages irgendwo entlang des Weges, schnatternd und lachend, vertieft in Gespräche miteinander und mit Einheimischen. Für die Tek und Novin scheinen wir eine angenehme Abwechslung zu den großen Reisegruppen, mit denen sie normalerweise unterwegs sind und sie nutzen die Freizeit, um alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen.
Kristin: Nach einer Woche wandern in ruhigem Einklang nähern wir uns dem so genannten Everest Highway, der Hauptroute, die Lukla mit dem Mount Everest Basecamp verbindet. Auf dieser Strecke wandern nicht nur Bergsteiger und Yaks mit Verpflegung zum Basecamp, es ist auch die beliebteste Trekkingroute Nepals, bei der Wanderer direkt ins 2860m-hohe Lukla fliegen und von dort aus in etwa 10 Tagen zum Basecamp und zurück laufen.
Val: Es ist ungewohnt in Phakding (2610m) plötzlich von so vielen Menschen umgeben zu sein, die zum Teil erst heute oder gestern von Kathmandu eingeflogen sind. Es liegt Aufregung in der Luft und während wir seit einer Woche weder uns, noch unsere spärliche Reisegarderobe gewaschen haben, sehen hier viele ganz frisch und sauber aus, mit nagelneuen Rucksäcken und blitzenden Wanderschuhen.
Kristin: Mit dem Überschreiten der Hillary Bridge fühlen wir uns angekommen im Hochgebirge. Wir sind nun im Sagarmatha National Park, der Heimat des Mount Everest. In Namche Bazaar (3440m) genießen wir eine kurze Auszeit vom zielgerichteten Wandern und schlendern gemütlich durch die schmalen Gassen. Namche ist das Handelszentrum des Nationalparks und obwohl hier alles mit Yaks, Trägern oder per Heli hinauf transportiert wird, fühlt man sich wie in einer richtigen kleinen Stadt. Es gibt Wanderkleidung und Ausrüstung aller Art zu kaufen und wir gönnen uns einen ganz westlichen Espresso im Himalayan Java Coffee. Der kleine Coffeeshop könnte ganz genauso in Hamburg stehen. So befremdlich das auf uns hier oben zunächst wirkt (wir erfahren, dass die italienische Espresso Maschine in seine Einzelteile zerlegt per Yak hier hoch getragen wurde), ist es auch schön etwas so vertrautes so weit weg von Zuhause zu finden. Irgendwie wirken
Coffeeshops beim Reisen auf mich immer auch ein bisschen entspannend, für einen Moment vergessen wir, auf welchem Kontinent wir sind.
Val: Thame (3820m), Marulung (4210m), Lungden (4370m). Seit Namche wandern wir auf dem Three Passes Trek, der uns im Uhrzeigersinn in ca 15 Tagen wieder zurück nach Namche führen wird. Abseits der Basecamp Route wandern wir nun wieder allein und die Ruhe kehrt zurück. Wir haben unseren Takt gefunden, wandern im Einklang miteinander und mit unserer Umgebung. Unsere Rucksäcke sind zu einem Teil unseres Körpers geworden und unsere Schuhe tragen uns wie von selbst den Berg hinauf.
Wir haben nun seit über zwei Wochen nicht geduscht, weil es abends einfach zu kalt ist, um sich mit kaltem Wasser aus der Schüssel zu waschen. Aber das macht uns auch nicht wirklich etwas, wir schlafen, essen und laufen nebeneinander. Bestimmt haben unsere Körper längst angefangen gleich zu riechen und unsere Nasen können den Geruch des einen längst nicht mehr vom anderen unterscheiden. Zumindest unsere Kleidung konnten wir, wenn es Zeit genug zum Trocknen gab, per Hand mit kaltem Wasser waschen.
Kristin: Vor dieser Reise haben uns einige Bekannte oder Kollegen gefragt, ob wir nicht Angst um unsere Freundschaft haben – davor dass wir uns auf die Nerven gehen und es nicht aushalten über einen Monat lang 24 Stunden am Tag zusammen zu sein. Aber wir genießen das Wandern zu zweit. Wir laufen in der gleichen Harmonie in der wir zu Hause zusammen wohnen. Wir haben noch nie viel gestritten. Ganz am Anfang, frisch von Zuhause ausgezogen und hinein in die erste gemeinsame WG, da gab es schon mal unkonstruktiven Stress. Ich kann mich an eine Situation erinnern, ich weiß gar nicht mehr worum es ging, aber ich weiß noch, dass ich geheult und Türen geknallt habe, während Val so getan hat, als ob es gar keinen Streit gäbe. Aber wir haben uns von Anfang an sehr respektiert und einander wertgeschätzt. Und waren beide an einer tiefen Freundschaft interessiert. Wir wollten das so wie bei ‘Friends’.
Val: Im Laufe der Zeit haben wir gelernt, unser eigenes Verhalten zu reflektieren und miteinander zu reden. Aber es hat mit Sicherheit auch geholfen zusammen zu wohnen. Wir konnten Konflikten nicht so einfach aus dem Weg gehen. Wir haben gelernt, uns die Zeit zu nehmen den anderen zu verstehen und andere Sichtweisen als genauso berechtigt zu akzeptieren.
Das klingt abgegriffen, aber das Anderssein des Anderen nicht mit Falschsein gleichzusetzen, sondern Offenheit bewusst zu leben, den Unterschied als Inspiration zu zelebrieren und die Chance zu sehen, etwas Neues zu lernen – das ist vielleicht ist die Basis unserer Freundschaft.
Kristin: Nach einem Rasttag geht es auf den ersten Pass. Wir starten in Lungden (4370m) vor Sonnenaufgang. Der höchste Punkt des Renjo La Passes liegt auf 5360m und wir versuchen dort gegen Mittag anzukommen. Die Höhe strengt an. Nach unserem Ruhetag hatten wir uns fit gefühlt und an die Höhe, zumindest die in Lungden, waren wir gut akklimatisiert. Aber mit jedem Meter weiter nach oben atmen wir schneller, die Beine sind schwer und wir kommen nur schleppend voran. Trotzdem sind wir guter Dinge und freuen uns auf die Aussicht und die verdiente Pause.
Val: Nach 6 Stunden sind wir oben. Wie immer hat das Kamera Aufbauen, Filmen, Strecke doppelt Laufen und wieder Einpacken dazu geführt, dass wir etwas länger gebraucht haben. Aber das ist in Ordnung, wir genießen den Moment und den beeindruckenden Ausblick hinunter auf den Ort Gokyo, den türkis strahlenden Gokyo Lake und den Mount Everest der so nah und gar nicht so viel höher als wir zu sein scheint.
Kristin: Nachdem wir den ersten Höhenpass bezwungen haben, fällt einiges an Anspannung von mir ab. Ohne viel Wandererfahrung hatte ich mir schon Gedanken gemacht ob ich das so einfach schaffen wurde, ein Anstieg von über 1000m in 6 Stunden und dann der Abstieg nach Gokyo der noch einmal ca 2 Stunden dauern würde. Insgesamt mehr als 8 Stunden wandern und dann in Gokyo auf 4790m schlafen. Aber ich stecke das Ganze im Moment sogar besser weg als Val, die ziemliche Kopfschmerzen bekommt. Ich bin stolz und und freue mich, dass ich mir diese Reise zugetraut habe. Und ich bin froh, die Freude und die Glücksgefühle mit Val teilen zu können.
Val: Wir bleiben ein paar Tage in Gokyo. Die Höhe macht mir zu schaffen und es dauert etwas, bis meine Kopfschmerzen ganz abklingen. Auf Kristin wirkt sich die Hohe anders, aber ebenfalls intensiv aus. Sie hat Probleme zu schlafen und wacht jede Nacht mehrfach nach Luft schnappend auf, das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen ist allgegenwärtig. Am befremdlichsten finden wir allerdings unsere anhaltende Appetitlosigkeit. Nach 10-stündigen Wandertagen zwängen wir uns am Abend lustlos einen kleinen Teller Daal Baht rein. Wir müssen uns gegenseitig daran erinnern genug zu essen. Es ist, als ob die Höhe dem Körper das eigenen Empfinden dafür nimmt, was er gerade braucht. Als ob man in den Selbstzerstörungsmodus gewechselt hatte. Das einzige, worauf wir überhaupt noch Appetit haben, ist ein Snickers zum Nachtisch (und zum Frühstück und zum Mittag und zwischendurch).
Kristin: Trinken geht da besser, wir achten darauf pro Tag mindestens 5 Liter Wasser zu trinken, manchmal eher 8. Und Ginger Tea, der hier als Allheilmittel gehandelt wird. So schön der Ort Gokyo auch ist, für uns ist der Aufenthalt von Anstrengung gezeichnet und wir sind froh, als wir uns fit genug fühlen weiterzuziehen. Es geht weiter nach Dragnag (4830m) und über den Cho La Pass (5420m) nach Dzongla. Die Landschaft ist beeindruckend, Berge mit malerisch verschneiten Gipfeln so weit das Auge reicht, beeindruckende Gletscher, deren Wasser in kristallklare Bergseen fließt, strahlender Sonnenschein und blauer Himmel.
Val: Ich genieße die Reise, vermisse nichts. Ich denke an meinen ersten großen Trip, ich war 19, das Ziel: Thailand. Ich wollte unbedingt alleine los, ich glaube ich wollte mir beweisen, dass ich auf eigenen Beinen stehen kann. Das hat auch gut geklappt, ich fühlte mich alleine sicher und das Reisen war spannend. Aber ich hab dann irgendwann den Punkt erreicht, an dem ich mir wünschte, die Freude und den Moment mit jemandem teilen zu können. Ich hab zwar viele andere Reisende getroffen, aber der Spaß blieb oft so oberflächlich wie die Unterhaltungen: woher kommt man, wohin geht man als nächstes, was hat man schon wo erlebt, was vielleicht verpasst. Ich hab mich dann sehr nach echten, tiefen Begegnungen gesehnt. Ich glaube im Nachhinein, dass dieses Erlebnis unheimlich prägend für mich war. Ich weiß, dass ich alleine gut zurecht komme aber ich weiß auch, wie schön es ist, Erlebnisse zu teilen.
Kristin: Ich glaube, dass es wichtig ist zu lernen, mit sich selbst allein zu sein. Sein eigenes Glück nicht von anderen abhängig zu machen. Wirklich für sich selbst und das eigene Leben verantwortlich zu sein. Aber wenn man das verstanden hat, wenn man vom anderen nichts verlangt oder erwartet, dann schafft man Raum für Wachstum, für eine Synergie, bei der die Gemeinschaft wahrlich mehr als die Summe ihrer Teile ist.
Val: In Lobuche (4910m) stoßen wir wieder auf den Everest Highway, der uns nach Gorak Shep (5140m) führt, dem höchstgelegenen Ort im Nationalpark. Selbst Wasser muss hier per Yak hochgetragen werden und das Land scheint jeglichem Leben gegenüber feindlich gesinnt. Es wachsen nur noch kleine Gräser und Flechten, die Sonne ist grell und der Wind beißt. Uns beeindruckt diese Landschaft, die so anders ist als alles, was wir auf unseren bisherigen Reisen gesehen haben. Ich bin froh, diese Erfahrung teilen zu können. Wir zelebrieren einen Moment der Besinnlichkeit im Everest Basecamp (5364m) als leichter Schnee einsetzt und wir etwas von der Energie verspüren, die die vielen gelben Zelte ausstrahlen. So viele Ziele und Träume, so viel Energie, die in Planung und Vorbereitung gesteckt wurde, die Enttäuschung wenn die eigene Gesundheit oder das Wetter nicht mitspielt. Bergsteigen in dieser Höhe hat viele Variablen und nur wenige stehen unter menschlichem Einfluss.
Kristin: Vom Basecamp geht es weiter zum Kongma La Pass (5535m), dem letzten und höchsten Pass unserer Reise. Aber der Aufstieg ist nicht besonders lang und wir sind nach 4 Wochen des Wanderns selbstsicher und routiniert. Oben angekommen fangen wir einen epischen Shot ein und wissen in diesem Moment, dass dies die Opening Szene für den Film sein wird. Wir spüren zum ersten Mal, dass aus der waghalsigen Idee vom Wanderfilm nun tatsächlich Realität werden kann.
Auf dem Pass ankommen bedeutet auch, dass es von nun an nur noch bergab geht, zurück in Richtung Lukla. Alle Sorgen lösen sich in Luft auf, alle Strapazen sind überstanden. Ab hier werden die Wandertage leicht und kurz. Wir sind erleichtert und stolz – aber auch jetzt schon ein wenig traurig, dass sich der Trip nun bald dem Ende nähert.
Val: Auf dem Weg nach Lukla ziehen die Orte an uns vorbei, wir schweben nur so den Berg hinunter. Nach Wochen in dünner Höhenluft fühlen wir uns federleicht und alle Energie kehrt in unsere Körper zurück wie sie auch in unsere Umgebung zurückkehrt. Mit jedem Schritt wird die Landschaft reicher an Farbe und Leben.
Kristin: Am Ende der Reise wissen wir nicht was Zukunft für uns bringt. Aber was wir sicher wissen ist, dass nur wir selber für uns und unsere Leben verantwortlich sind. Wir sind die Einzigen, die die Verantwortung dafür tragen, was aus unserer Freundschaft wird und genauso, wie wir uns damals, mit Anfang zwanzig füreinander und für eine Freundschaft wie bei ‘Friends’ entschieden haben, können wir das jetzt wieder tun.
Val: Nicht weil wir jemanden brauchen, sondern weil wir jemanden möchten. Weil wir wissen, wie wertvoll echte, tiefe Beziehungen sind. Weil zusammen schöner ist als allein. Und weil zusammen mit Kristin sowieso am schönsten ist.